blauumrandete tage
der see schlug blaue wellen im grauen
schilf flochten die schwäne
sich sommers ein bett.
wir stachen eine höhle
ins torf die tische
mit ackerkraut geschmückt.
fünf jahre schliefen wir ohne träume.
im dorf suchten sie uns. die eltern
weinten umsonst und doch
es war schon vorgekommen dass
jemand verschwand man ihn erhängt
an dem apfelbaum fand
der nie wieder blühte.
manches war gut bis der hinkende
vergass zum mond zu klagen
mit einem jagdgewehr
erst die sau dann seinen vater erschoss
–im stall – wo beide im selben blute lagen.
manchmal kommt mir das eine
das andere erneut in den sinn
der strauss aus drillichskerben
kamille im haar
die träume mit
blauem rand der laue
regen die rüben
vom feld und die lieder die meine
mutter mir
an keinem abend sang.
nachtgesang
ausgerechnet in velika kladusa, bosnische stadt,
zwei kilometer noch bis kroatien,
sah ich dich an und wünschte mir
ewigkeit
wir saßen im café bei dem
mann aus marokko der war
zum achten mal gescheitert
sie griffen ihn kurz vor slowenien.
nahmen ihm schuhe, geld, die bilder
der mutter , darauf lachte sie
vor der tür eines hauses
in den tälern des atlas
die dornen aus der krone
eines fremden erlösers
steckten in seinen füßen
an die sohlen
klammerte sich das verlorene land.
seine haut hatte das
grau der heimatlosen krumm lag sie
auf seinem gesicht.
immerhin sagte er haben
sie ihn nicht geschlagen aber
könnten sie ihn
nicht wenigstens erschießen
die flucht sei doch schon tod
und so viele lägen auf dem weg
ganz ohne gräber.
vom zigarettenqualm brannten deine augen,
ich sah dich schon
wegen anderer dinge
nicht weinen.
auch nicht um mich.
als es nichts mehr zu sagen gab
umschlang der rauch unser schweigen
wir alle wussten um den preis der
noch heute zu zahlen war.
einen euro für den nun kalten kaffee.
die flucht wie die liebe
stottern wir mit unseren hoffnungen ab.
in velika kladusa, bosnische stadt,
sang der nachtvogel
lange vor der dunkelheit
und was uns daran rührte
klebte an uns wie trockenes blut.
unser mitleid taugte für nichts.
die wohlgeformten silben
stockten in der luft.
später sahst du auf deinen bildern
nur schatten und ich riss die seite aus dem block
auf der nichts vom sterben stand
nur: haus baum amselgesang.
ein jahr später
wieder lernen
das leben
den steinen
aus dem weg zu gehen
das nebelgeflecht der wolken
für illusion zu nehmen
und sich nicht mehr sehnen.
wieder fühlen das meer
und die kühlen nächte
im april.
dem himmel seine grenzen weisen
und wieder sehen den glanz
der natter in der furche beim feld
hören, den herzschlag
der halme. die reiher über bleichem see.
den schnee.
waldesruh
ich zöge so gern mit dir
in den wald du weißt schon
am rande der ferne
da bring ich dir knollen und blüten
und beeren so grade
vom strauch
dann mit sattem
bauch bau ich uns endlich
ein haus
aus tau und was
die spinnen von ihren netzen
mir lassen.
kinderglaube
angenommen ich fände
die blaue blume
nach der
dichter sich sehnten.
der eine erträumte
der andere suchte sie
vergebens die
jahrhunderte
gingen darüber
hinweg
lange schon
hält sich der mythos
ihrer magie als
dass man daran
noch glauben fände
und schon gar nicht eine
wie ich einer
wie du.
und doch angenommen
ich legte
sie in deine nacht
auf dein erkaltetes herz
fänden wir dann nach haus?
nach haus.
nacht in der sahara
mauretanien
am tag schon haben wir die uhren zerstört
mit den zahnrädern den hungrigen das maul
gestopft die zeiger nagelten wir an die
blassen mauern von nouakchott. erst als
der weg endet fragen wir was das wird diese
sehnsucht nach nirgendwo und singenden winden.
bei nomaden finden wir rast. der rauch von feuer
weist unsere träume in grenzen bis in der ferne die
lieder verklingen. den becher voll ziegenmilch trinken
die hunde leer. schon fallen im westen sterne aufs land.
zum schlafen spannen wir den himmel von halbmond zu halbmond
und auf dem bogen der dünen zieht licht wie karawanen davon.
in dieser nacht glauben wir an gottes hand.
maitag am schlagbaum
ostkongo
There is a silcence where hath been no sound (Thomas Hood)
Der himmel bleibt davor dahinter fressen schlammbraune zikaden ihres und der anderen gleichen, wer heute auf welcher seite für welchen grund geopfert wird, steht eines tages vielleicht in den büchern. ach ja, mal wieder
ein maientag da drängt die schwüle die menschen zu dingen gleich hinter dem schlagbaum liegt einer ist besoffen oder auch tot die ziege starb wohl schon gestern seither fressen die krähen aus ihrem hohlen bauch. die händlerinnen tragen limonade von zitronen über den schlagbaum schwingt der soldat aus bangladesch blauhelm und heimweh. auf der gegenspur rollt der toyota-konvoi der befreiten sie jubeln der heimat entgegen und letztes mal sagt mit unterton die grenzpolizistin reisten sie noch als künstlerin ein sie sind wohl flexibel? keinesfalls sag ich diese grenze verlange nach der kunst des lebens
und zahl gleich den preis: visum verweigert. am abend werfen sie den betrunkenen und was die krähen von der ziege ließen auf einen wagen da sitz ich in den gärten von gisenyi und trinke mir meine kongolesische sehnsucht schön.
addis abeba am abend
vom hotelbalkon fällt mein blick
auf hungerquartiere dunlop motorenöl
kanister unter dem fliegenfleisch
sechs stockwerke tief
wellgeblechte hütten nix zu fressen
denke ich aber satellitenschüsseln
auf dem dach lachen die maribu über diese
vergessenen sechs
stockwerke tiefer gefallen
als ich.
haut und knochen hatten sie dafür
kaiser und kommunis
mus meningistu und
ich nur brot
schreit das kind
vor der hütte
sechs stockwerke hoch werfen sie hier
schatten bis die sonne im metaphysischen
abenddunst ihr rot verschluckt
hättest du das kind gesehen du
sagte der vater früher
solltest mal die schweineschwänze
essen dann wüsstest du.
genozidgedenkstätte
ruanda
für damas dukundane
wie züge die nicht mehr fahren
auf rostbraunen gleisen geparkt für eine ewigkeit
die aufgebahrten toten.
drinnen wohnen wohl seelen in den vertrockneten
kehlen draußen geht der wind
hier und anderswo brauchen
unsere taten keinen grund
als uns selbst.
an so einem ort! an so einem ort
reihen sich worte zu nutzlosen tönen
mit träumenden augen verschlingen die lebenden
das herz der toten an jedem tag
ist immer nacht.
weihnacht
in der heiligen nacht sind mir alle katzen
grau bekleidet das
vergebliche sich mit meinem
gewesenen
morgengestern bleiben
die herzen zuhaus
die lichter
brennen für
was weiß denn ich.
immer wünsch ich mir
einfach mal nichts und neuen glauben.
noch einmal ein kindlein in tuch
und krippe und wunder unter
dem stern
von bethlehem.
tödliche freiheit
südsudan
ein flüchtiger mittagswind
bewandert die bougainvilla
bis ihre blüten ins taumeln geraten
und wie verträumte schiffe auf ruhigem meer
segeln, segeln, flirrende luft.
soldaten auf dem weg
in die blütenlosen kreise des krieges
auf lastwagen geklebt
im drillichschweiß ihrer körper
laden die gewehre mit
ihren oszillierenden seelen
halten den lauf in den wind.
glücklose blüten
auf lauf und haar
ziehen in die schlacht.
noch vor dem abend brennt eine stadt
der letzte vogel zwitschert
den flammen ein lobeslied
september
für tjorven
der lavendel ist verblüht allein
die rosen tragen noch duft
am gartentor klebt
ein toter schmetterling.
dass man das alte vergessen muss dem neuen
vergeben verschwiegen wir unseren isomorphen
träumen und versprachen
uns bis zum nimmerlein : wurzeln und flügel.
was bleibt? an der türzarge die abgestrichenen
jahre unserer zeit und
auf deinem kissen federn
von einer
verlorenen schlacht um
einen ewigwährenden tag.
ars moriendi
ruanda
für Bartholomäus Grill
noch immer ist es der eine
name der einem das herz
das wort gefriert.
nyamata.
bei nacht am kreuz verging
der gottessohn selig sangen sie zur elften stunde
sind die barmherzigen.
es regnet hier im april. das schlachten
dauerte vom ersten bis zum letzten dämmer.
selbst das licht war abschiedslos und hernach
legten die untoten die kleidung auf den bänken ab
ließen das blut
an der muttergottes wie herbstblätter am letzten ast
derweil sie
den unrettbar gekreuzigten
noch lange beklagten und sahst du auch die knochen
stapelten sie in reih und glied den rest
fraßen die hunde.
nur manchmal
spült der regen die erde fort
steigen die toten
ans licht.
abschied von der tochter
für jona
den weg landaus zur ferne
nahm das kind
bepackt
mit sack und ade pfiff
liedchen blies atem
zu schwaden versprach sich
neuland die schatten
zu blenden wie licht.
jetzt sagte das kind
beginnt
dieses streben zu schwindenden
ufern das strecken
und beugen vom aufbruch zu träumen
bis die feuer erloschen und glut
uns erwärmt.
tausende winter
bannten die sommer, die zärtlichen
spiele der kindheit
auch die fülle
ist nie genug.
die frau im dorf
malawi
in den falten ihres kleides
fangen sich die tage bis es zerreißt
die füße stampfen die hirse die kinder
winden sich wie schlangen an ihrer brust.
am abend setzt sie den mond auf einen plastikstuhl
kratzt den hunger aus den zähnen
und wartet auf nichts.
grenze mit kindersoldat
ostkongo
wie kann sag ich empört zu dem kind dieser weg
gesperrt sein hier mitten im land das kind
hat seine augen eingebrannt ins hirsebier sagt
es sei hier der wachsoldat . dazu hebt es den lauf der uzi
25 schuss. wir sind die befreier! keine weiterfahrt
am straßenrand wächst farn im überfluss im kegel
der vulkane fangen sich schleier aus niedrigen wolken
und dunst. es hat eine holzlatte mit nägeln über die fahrbahn gelegt
zweihundert dollar für den freien weg
halt lieber den mund
sagt der fahrer in mein murren und
general ! ruft er zu dem kind
wie wärs mit essen dir muss
der magen knurren hat man
in dieser öde vergessen
wie hungrig soldaten sind. nimm hier das halbe brot und
auch von dem cassava.
gierig schlingt das kind.
und sagt mit vollem mund
für einhundert dollar könnten wir fahren
nur aus dem grund
es kenne den fahrer er sei
wie es selbst aus masisi.
die mutter des fahrers vater verwandt nun lachen
die beiden schüttelt eine hand die andere
sagt das kind fünf scheine, cassava und
das brot zur gänze dann würde es seine grenze
von der fahrbahn nehmen
und gäbe uns bis zum nächsten posten
mit seiner uzi geleit so fahren
wir durch das totenreich
mit einem kind hinten im wagen.
flug über die namib
wie kindertraum und wunderland
dieses unbewegte
verformen des wüstensands
das stete
gekräusel im wind das erleuchtete
flirren wie glut ohne feuer.
ach bleiben.
im dürftigen weilen und
seufzen ins flüchtige
jetzt.
lüderitz
es gibt wetter da sehen sie
niemals das wasser fließt ihnen die wüste
entgegen kommt einer vom meer
mit der flut
verliert sich ein anderer
zum land in die stille
du kennst nicht die nebel die schattigen
geister doch
bricht sich die möwe
am sturm ihre flügel
bewahrt sie der felsen
vor schwindendem licht.
hundstage
nein es erstirbt kein himmel
wie das meer im dezemberfrost
nur messerscharf mein schlaf.
schabt noch vor mitternacht
brustwirbel, knochen
rauchsäulendünn.
am fransenrand dieser steinernen tage
wisch ich endlich
das alberne geflimmer fort,
die spurlose fährte
eines niemals-wirklich-gewesen und streichle dabei
noch einmal
das glück wie einen zugelaufenen hund.
folgenlose beziehung
was ich dir vorenthalte: eine zeile
von achmatowa in der alles steht was
du über mich nicht wissen sollst und dass ich
einmal einem kind kein leben schenken wollte.
meine wege des geringen widerstands
die mich zu diesem keinem jenen führten.
jemand schrieb mir einmal einen brief darin
stand mein herz sei eine mördergrube.
seit ich die vielen toten in den ruinen
sah fürchte ich den dunklen ruf der krähen.
dass du mich halten sollst wenn der wind von westen
wieder das haus ergreift als sei es nur ein boot.
steigen, sinken. nie werde ich dich bitten, mir zu folgen.
generalissimo
südsudan
nachdem sie die leichen
vom asphalt gekratzt und aus den räumen geholt
in denen sie zu tode gefoltert, erschossen,
hände gefesselt auf dem rücken
schien die sonne in juba.
am abend verstummten die soldaten über dem schaum
auf hellem hopfen, sie träumten vom ufer
und dem wasser des weißen nils.
oder vom rauschen
des lebens. vom spiel.
die müdigkeit ertrank in ihren gläsern
und einer - der hatte sich zum
general getötet – wollte
von sich noch ein foto digital,
für sein kind.
er fiel, sieben sonnenkriegstage später
fiel er vom lastwagen, brach
ohne letzten gedanken sich das genick.
solch ein tod reicht nicht
für den status eines helden, er gab
das foto keinem kind.
wo sie ihn verscharrten
harte erde, das grab war nicht tief
frassen ihn die geier schon nach einem tag.
dadaab
kenia
sieben tage über die ebene
im beutel drei schaufeln maismehl für
brot das eilig
zusammengeraffte passt
in die wölbung der hand.
die kinder
birgt sie unter den röcken
das schwächste ließ sie
zurück am weglosen rand
die sterne weisen auch ohne die nacht
nur immer nach süden.
einhundert kilometer die kinder
haben das atmen vergessen die füße
bluten im schuh
sagt man die weißen zelte sieht man
von weitem riecht man die
feuer von dämmer zu dämmer
glaubt sie an rettung: dadaab.
herbst
Im november fallen die raben
über die letzten äcker
jagen von einem
zu keinem anderen
schatten.
im halbseidenen licht
verkreist sich das laub
schon wohnt moos
auf den witteren balken.
spur der rehe zieht mir
ins verschwiegene.
gleichwohl erst der letzte sturm
die entlaubten
ins kaltleere land verstößt
sing ich schon vordem
mir lieder vom schnee.
heimat
mohnblüten schaukeln vorhinter dem haus
im beet die unerwünschte brennnessel und
die birke sehnt sich nach den steppen
des nordens. am morgen
schlingt sich mein kind um mich
worte mit denen es eine welt erschafft
nimmt
den tag in feste hände.
am abend singt die amsel ihr tedeum
flattern die wolken um zittrige kronen
freundliche schatten tanzen in meinen schlaf.